Eichenweiler. Mit einem großen Fest feierte Eichenweiler im Sommer 2011 sein 90-jähriges Bestehen. Die Siedlung ist der älteste Bestandteil des heutigen Wohngebietes. Ab 1921 begann die Heimstättenbaugenossenschaft Magdeburg mit dem Bau dieser Stadtrandsiedlung. Entlang gerade verlaufener Straßen wurden vorwiegend Doppelhäuser mit angebautem Stall errichtet. Den meist erwerbslosen Siedlern wurden 650 qm Nutzfläche zum Eigenanbau zur Verfügung gestellt. Beim Straßenbelag wurden kostengünstige Materialien wie Schotter, Kies oder Sand gewählt. Die Stadtrandsiedlung wurde öffentlich vom Reich und der Stadt gefördert. Sie sollte den Problemen des „wilden“ Siedelns am Stadtrand und dem Wohnraummangel in der Stadt Magdeburg entgegenwirken.
Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich Eichenweiler zu einer grünen und ruhigen Eigenheimsiedlung. Der über 80 Jahre alte Siedlerverein pflegt bis heute die Tradition der Gartenstadt.
(Quelle: Leben im Magdeburger Norden, 2012)
DIE GARTENSTADTSIEDLUNG EICHENWEILER
Träger der Siedlungsmaßnahme war die 1920 gegründete „Heimstättenbaugenossenschaft Magdeburg e.G.m.b.H. zu Magdeburg". Die Siedlung war ursprünglich größer geplant als sie sich schließlich 1930 darstellte. Mit zum Teil veränderten städtebaulichen und baulichen Vorstellungen wurde sie nach 1931 weitergebaut, dem Jahr, in dem der normale Wohnungsbau als Folge der Weltwirtschaftkrise fast ganz zum Erliegen gekommen war.
Gründung
„Gleichlaufend mit dieser staatlichen Fürsorge gingen Bestrebungen unter Eisenbahnern, durch Selbsthilfe und Zusammenschluss gesunde Wohngelegenheiten zu schaffen. Es bildete sich in der Reichsbahndirektion Magdeburg ein Ausschuss, der eine Einladung an alle Magdeburger Eisenbahnbediensteten zur Gründung einer Baugenossenschaft ergehen ließ. Als Zweck der Gründung war die Beschaffung von Heimstätten angegeben. Auf der Gründungsversammlung waren 136 Eisenbahner bereit, der jungen Genossenschaft beizutreten.
Grunderwerb
„Das Gründungsjahr 1920 war ein Jahr wirtschaftlicher Ungewissheit. So einfach und selbstverständlich die Forderung nach gesunden Wohnungen erscheint, so schwer und verwickelt war und ist auch heute noch ihre Erfüllung; denn zum Wohnen gehört neben einem Haus in erster Linie Grund und Boden.
Bauvorhaben im Allgemeinen
Nach Lösung der Bodenfrage ging man daran, die Häuser zu erbauen. Doch musste zuvor eine Einigung erzielt werden, wie und was man bauen wollte. In der Streitfrage: Kleinwohnungen im Stockwerkshaus oder im Flachbau entschied sich die Heimstättenbaugenosssenschaft zunächst für den Flachbau. Als Geldgeber kamen für sie der Preußische Staat, die Eisenbahnverwaltung und die Stadt Magdeburg in Betracht. Bis zum Jahre 1923 war die Heimstättenbaugenossenschaft eine reine Eisenbahnerbaugenossenschaft gewesen. Wollte die Heimstättenbaugenossenschaft auch im Baujahr 1923 die Unterstützung der Stadtverwaltung für ihr weiteres Bauvorhaben gewinnen, so musste sie die Wünsche des Magistrats erfüllen und sich auf eine breitere Grundlage stellen. Die Genossenschaft ist dem Verlangen nachgekommen: Sie nahm nunmehr auch Mitglieder auf, die nicht Eisenbahner waren."
„Die Gartenstadt Eichenweiler hat einen rein ländlichen Charakter. Die ersten Häuser sind als Zwei-, Vier- und Sechsfamilienhäuser mit Erd- und ausgebautem Dachgeschoß errichtet. Die Wohnungen bestehen aus drei und vier Zimmern mit Küche und Spülküche von etwa 75 qm Wohnfläche. Jede Familie hat am Hause neben Stall und Hof einen 600-800 qm großen Garten."
Die Lage der ersten Gartenstadtsiedlung der HBG im nördlichen Stadtteil Rothensee war Anfang 1920 noch isoliert und weit vor den Toren der Stadt. Ohne Infrastruktur und Anbindung an Straßenbahnlinien zeichnete sich das 20 ha große Grundstück jedoch durch die Nähe zum großen Verschiebebahnhof Rothensee aus. Das gartenstädtische Konzept der Verknüpfung von Wohnort und Arbeitsplatz - hier die reine Eisenbahnersiedlung- sowie das Leben in „Luft und Licht" mit hohem Selbstversorgungsanteil spielten eine dominante Rolle. Die einzige Verbindung ins Magdeburger Zentrum bestand über den Schöppensteg zur Neuen Neustadt, vorbei am Freizeitpark Vogelgesang.
In einzelnen Bauetappen wurden innerhalb von zehn Jahren nach Plänen des Architekten Bernhard Lippsmeier 142 Wohnungen errichtet. Zunächst befanden sich diese in separat stehenden zweigeschossigen Doppelhäusern mit ausgebautem Dachgeschoß.
Ab 1928 kamen aufgrund ökonomischer Zwänge Vier- und Mehrfamilienhäuser in zusammenhängender Reihenbebauung hinzu. Zu jeder Wohneinheit gehörten Stall, Hof und Nutzgarten. Anerkennenswert war hier das Bemühen des Architekten um möglichst gleichwertige Parzellierung, die bei Mehrfamilienhäusern oft nur durch verwinkelte Grundstückszuschnitte zu bewerkstelligen war. Die Anordnung der Doppelhäuser wurde durch eine Abfolge von Platzbildungen oder gebogene Straßenführungen aufgelockert und erzeugte eine eher dörfliche Stimmung. Der Ende der 20er Jahre erfolgte Weiterbau am Reihersteg bildete dagegen ein schon geschlosseneres, von symmetrischen Bauformen geprägtes Ensemble. Als einzige Nahversorgung wurde 1928 im Sonnenstieg eine Bäckerei eingerichtet. Ab 1931 fand im Zeichen der Weltwirtschaftskrise der Weiterbau von 48 Wohnungen in Doppelhäusern unter manueller Selbsthilfe der Siedler statt, die mit jeweils 300 Mark angerechnet wurde. Diese Eigenleistungen dienten zugleich als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für erwerbslose Genossen.
Weiterbau der Gartenstadt-Siedlung Eichenweiler
Die Gartenstadt Eichenweiler wurde nach 1931 als Stadtrandsiedlung von der Heimstättengenossenschaft in Richtung Westen weitergebaut (ab Westseite Reihersteg). Die städtebauliche Struktur besteht aus einfachen Reihungen von (meistens) Doppelhäusern mit angebautem Stallteil entlang minimierter gerade verlaufender Straßen.
In dem folgenden Zitat aus der Magdeburger Zeitung vom 10.12.1932 wird vor allem der enge Zusammenhang von Wohnungsmissständen in der Altstadt und Siedlungsprojekten am Stadtrand deutlich, wie er für diese Zeit typisch ist. Ferner äußern sich die Behördenvertreter einmal mehr zu den Problemen des „wilden Siedelns", dem mit den öffentlich geförderten Stadtrandsiedlungen vorgebeugt werden sollte.
48 Häuser am Stadtrand- Ein Besuch in Eichenweiler
„Von der Endstation der Linie 1 sind es am Vogelgesang vorbei in Richtung auf den Bahnhof Rothensee zu Fuß etwa 20 Minuten bis zur Siedlung Eichenweiler. Hier sind in der Nachinflationszeit hauptsächlich in offener Flachbauweise inmitten von Gärten 150 Wohnungen entstanden. Im Anschluss an diese Siedlung sind im Laufe des letzten halben Jahres als Stadtrandsiedlung weitere 48 Wohnungen in Doppelhäusern für Erwerbslose errichtet, deren letzte in der nächsten Woche nun bezogen werden sollen. Die Heimstättenbaugenossenschaft Magdeburg e.G.m.b.H., der der Grund und Boden gehört und die die Bauleitung übernommen hat, lud am Freitagnachmittag zu einer Besichtigung dieser Stadtrandhäuser ein. Nachdem man die Häuser im Anfang des Entstehens gesehen hatte, war jetzt Gelegenheit gegeben, einmal einen Blick in ein fertig eingerichtetes Haus zu tun, die freundlich weiß mit rotem Dach und grünen Fensterläden im Gelände stehen, das sich im nächsten Jahre in Gartenland umwandeln soll, 650 Quadratmeter Nutzgarten für jeden Siedler. Die Straßen sind mit einfachen Mitteln, Schotterlage, Schlacke, Sand und Kies hergestellt, die Umzäunung der Grundstücke mit ordentlichen Lattenzäunen ist im Werden.
Die Siedler kommen aus Untermieterwohnungen und kleinen Dachwohnungen meist aus der Altstadt. Man kann sich vorstellen, dass diese neue Wohnung für sie ein kleines Schloss ist, vor allem für die Kinder, die sich unbeschränkt im Freien tummeln können.
Auch nach dem Machtwechsel im Januar 1933 wurde das Programm zum Bau von Stadtrandsiedlungen nahezu nahtlos weitergeführt.
(Quelle: Landeshauptstadt Magdeburg, Gartenstadt- und Erwerbslosensiedlungen aus der Zeit der Weimarer Republik in Magdeburg,1995)